McsORGAN Magazin 2019

McsORGAN «Von Passiv zu Aktiv» – 163 tet durch Orangenbäume ist unsere Bleibe für zwei Nächte. Tanzeinlagen der besonderen Art inklusive. Ich zähle zwar nicht zu den Anwälten mit Ehrgeiz fürs Tanzen, aber eine Einladung auszuschlagen zu einem marokkanischen Pas à Deux, wäre nachge- rade Frevel. In einem andern Sprachgewand würde ich dieses Juwel in meinen Armen als khakibraune Tarantellatänzerin bezeichnen. Auch damit erfährt man die Wüste als einen Ort des Traums, der Er- habenheit, der Unermesslichkeit, dem Universum nahe. Die Schönheit der Wüste hat schon Antoine de Saint-Exupéry realistisch ohne Filter der Verklärung beschrieben. Es erschüttert die Welt zwar nicht in ihren Grundfesten, aber ich widerspreche der auf Seite 62 im letzten Morgan-Organ geäusserten Er- kenntnis «Nur fliegen sei schöner» ! Vermutlich fehlt im Regal des Schriftleiters das leider inzwi- schen vergriffene Werk von P.I.Llott «Runter kom- men sie alle» (Verlag Johannes-Petri). Gleichgültig welcher philosophischen Richtung man frönt, die Wüste ist und bleibt eine Art Schlüssel zum Himmel. Und man bleibt unten! Nun, die eher als beschwerlich zu bezeichnende Rückfahrt über Boudenib, Anoual, Missour und Richtung Fez mit reichem Wechsel an Farbtönen, pumpt uns voll mit Eindrücken und Empfindungen. Nicht nur, dass der 2-Topf-Zerknall-Treibling seinen Geist aufgibt und auf abenteuerliche Art ein neues Öl-Gestänge verabreicht bekommt, auch einer der beiden Töpfe (sprich Zylinder) ist eines Morgens nicht mehr am angestammten Ort. Also vorne links, wo er sein müsste. Wüste bleibt eben Wüste und ist in Schadenfällen auch wüst, vor allem dann, wenn der Motor nur hustet und andere zweirädrige Fort- bewegungsmittel als nicht fahrtauglich gelten (sie- he Bild). In solchen Fällen nützt es wenig nach dem Sinn des Lebens zu fragen, sondern höchstens um wieviele Wochen sich die Reise in die Länge zieht. Und eines ist sicher: In diesem Gemütszustand wird selbst ein Rollator mit Orientierungshilfen als Fort- bewegungsmittel in Richtung Europa in Erwägung gezogen. Der langen Rede kurzer Sinn: Nach Tagen des Wartens und im Glauben für kurze Zeit die Ge- henna erlebt zu haben, endlich freie Fahrt… das ge- plante Routing ändernd... in die gänzlich baum- und schattenlose Ebene Richtung Fez mit «Blauem Tor» , der «Tannerie» dem Gerber-Viertel sowie ihren Teppichhäusern. In der «Untern Medina» schläft man in einem alten Stadthaus, so der Sage nach. vier Tage sind im Reiseprogramm für Fes reserviert vor Weiterfahrt über Ketama nach Tanger . Ich habe die Route vor vielen Jahren einmal per Jeep befah- ren, heute ist sie asphaltiert und gleicht kaum noch der gelebten Wüstenwanderung von damals. Tanger ist kein Vorzeigeort. Die sozialen Unterschiede sind offenkundig und ein längeres Verbleiben gebührt sich nur dann, wenn 2-Topf-Zerknall-Treiblinge ei- ner Nachrevision bedürfen. Aber wenn schon Tan- ger, dann ein Besuch im Kasbah-Viertel und am Cap Spartel, ein paar Kilometer westlich der Stadt. Die Rückfahrt nach Genua und in das ach so schöne Heidi-Land vermag einiges zu entschädi- gen. Sehen und selbst erleben ist eben anders als es von einem aktiven Aktiven erzählt zu bekommen. Die Begegnung zwischen Europa und Afrika ist nur eine der vielen Möglichkeiten, der technologiegläu- bigen, emotionslosen Industriegesellschaft zu ent- rinnen. Irgendwo hab‘ ich mal gelesen «wer nicht reist, wird den Wert des Lebens nie erfahren» . Nun, die Ankunft in Basel mit Rückgabe des mo- bilen Geräts – auch auf die Gefahr hin blanko Ver- achtung zu ernten – ist erwartungsgemäss über- schattet durch mein eigenes Begräbnis. Weshalb gibt es diese Uhren, die auf brutalste Art den Tag einläuten, Träume vernichten und daran erinnern, dass auch Jahresbeiträge für Passive ein Verfalldatum haben? Dazu noch so früh am Morgen? Wie sagt doch Wolfgang Gruner so schön «Die Sahara ist nicht der einzige Ort, wo alles im Sand verläuft»!

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